ANSATZ UND ZIELSETZUNG
Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße befindet sich in der südlichen Neustadt, zentral gelegen zwischen der Hauptkirche St. Michaelis und der Speicherstadt. Es ist ein Zeugnis der Hamburger Sozialgeschichte und stellt als Wohnform in Hamburg und darüber hinaus heute eine Besonderheit dar.
Das Ledigenheim wurde 1912 von den Architekten Ernst Vicenz und Wilhelm Behrens im Auftrag des Bau Verein zu Hamburg gebaut und bot seinerzeit 112 Bewohnern eine Heimstätte. Mit seinem Speise- und Lesesaal, in denen auch Veranstaltungen stattfanden, dem Tante-Emma-Laden mit seiner sympathischen Pächterin und dem Pförtner, der auch für die Nachbarschaft ein offenes Ohr hatte, war das Ledigenheim nicht nur Zentrum des Lebens der Bewohner während ihrer Hamburgaufenthalte, sondern eine gewachsene Institution im Alltag des Stadtteils. Im Laufe vieler Jahrzehnte lebten hier Seemänner, Hafenarbeiter und Monteure, ganz unterschiedliche Charaktere, unter einem Dach und in der Regel ein Leben lang. So hatte sich hier ganz von selbst ein Mehrgenerationenprojekt im Herzen der Neustadt entwickelt.
Die Idee der Ledigenheime, Alleinstehenden und Durchreisenden ein Leben ohne Not, ein behütetes Zuhause in familienähnlichen Strukturen zu ermöglichen, hat seit seiner Entstehung vor über 100 Jahren bis heute an Aktualität nicht verloren. Auch ist die Wohnform heute noch für eine Vielzahl von Menschen attraktiv, insbesondere in Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie der zunehmenden Vereinzelung in Single-Haushalten, dem demographischen Wandel und dem Mangel an bezahlbarem innerstädtischen Wohnraum.
Aktuell befindet sich das Ledigenheim jedoch in einem desolaten Zustand und ist im Grunde hinter den Standard von 1912 zurückgefallen. Das Gesamtgebäude wurde strukturell stark vernachlässigt und die Gemeinschaftsräume und Serviceleistungen fast gänzlich abgeschafft. Dies liegt vor allem daran, dass hinter den Entscheidungen der letzten Jahrzehnte nicht etwa die Bedürfnisse der Menschen oder der Wunsch, das Ensemble für die Bewohner möglichst wohnlich und ansprechend zu gestalten stand, sondern eher pragmatische, abstrakte Fragestellungen, wie etwa der Geschoßflächen- und Renditeoptimierung. So wurde das Haus 2009 zuletzt an einen dänischen Immobilienfonds veräußert, der Umbaupläne einreichte, welche die langjährigen Bewohner nicht mehr vorsahen und die endgültige Auflösung des Ledigenheimes in ein Appartementhaus zum Ziel hatten. Trotz Ablehnung der Umbaupläne durch die Behörde ist es durch die Art der Verwaltung zu einer weiteren Verschlechterung der Situation für die Bewohner und die Gebäudesubstanz gekommen.
10 Als Arbeitsgemeinschaft Rehhoffstraße, die wir uns seit 2011 intensiver mit dem Objekt, der Wohnform und den hier lebenden Menschen befassen, wollen wir einen konstruktiven Beitrag zu der momentan schwierigen Situation leisten und helfen, dem Ledigenheim eine Zukunft zu geben. Wir wollen auf den folgenden Seiten Möglichkeiten aufzeigen, wie das Haus als Ledigenheim erhalten und als Zuhause für Durchreisende und Alleinstehende weitergeführt werden kann und was dafür aus unserer Sicht an baulichen, räumlichen, organisatorischen und strukturellen Veränderungen notwendig ist. Es ist uns insbesondere wichtig, das Haus zu recomfortabilisieren, für die langjährigen Bewohner aber auch um dafür zu sorgen, dass das Haus langfristig durch neue Zielgruppen attraktiv und lebendig gehalten wird.
Ziel unserer Arbeit ist der Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes als attraktiver Wohnort für ca. 90 Menschen und als Zentrum für das Stadtteilleben und die Stadtteilkultur durch den Ausbau und die Öffnung der Erdgeschossbereiche. Um diese Ziele zu erreichen wird es bei der Konzeption des Hauses wichtig sein, auf eine ausgewogene und sinnvolle Mischung zu achten, sowohl bei den Bewohnern als auch bei den Pächtern und Betreibern der Erdgeschossflächen. Durch das Begreifen des Hauses als Gesamtkonzept und das Betreiben im Sinne der Bewohner und Nachbarschaft könnte das Ledigenheim als gelebtes Denkmal wieder seine Wirkung im Stadtteil entfalten und diesen als eine von Hamburgs kulturhistorischen und sozialgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten zudem überregional bereichern und identitätsbildend wirken. Insbesondere glauben wir, dass durch eine Aktualisierung der Anlage und einem Greifen des Konzeptes in zeitgemäßer Form, veranlagte Potentiale noch stärker zur Entfaltung gebracht werden können, insbesondere die Rolle des Hauses im Stadtteil für die öffentliche Nahversorgung, das Stadtteilleben und als Standort für soziale Dienstleister. Auch die Integration von Herbergszimmern für Städtereisende in der Anlage könnte hier eine attraktive Ergänzung darstellen.
Perspektivisch hoffen wir, dass das Ledigenheim in Zukunft erneut im Sinne seiner Bewohner und der sozialen Grundidee der Wohnform geführt wird und so wieder dem Gemeinwohl dient.