Die Fuggerei
Eine Sozialsiedlung
Die Augsburger Fuggerei und ihre Gründung geht zurück auf Jakob Fugger „von der Lilie“, auch „der Reiche“ genannt, der 1459 in Augsburg geboren wurde. Bis zu seinem Tod 1525 war er einer der bedeutendsten Kaufherren, Unternehmer und Bankiers Europas. Gemeinsam mit seinem Bruder Anton Fugger baute er die ursprünglich im Baumwollhandel tätige Augsburger Familienfirma innerhalb weniger Jahrzehnte zum größten europaweit tätigen Handels- und Bergbauunternehmen seiner Zeit aus. So waren die Fugger schließlich Geldgeber des Kaisers, Bankiers der römisch- katholischen Kirche und spielten eine maßgebliche Rolle bei der Finanzierung der europäischen Politik. Ihr Geschick und ihr Reichtum ermöglichten ihnen den Kauf großer Landgüter in Schwaben, den Aufstieg in den Reichsadel und die Tätigkeit als Stifter, Sammler und Mäzene. So prägten sie insbesondere in Süddeutschland auch die Kultur der Renaissance stark mit.
Auf die Stiftertätigkeit geht auch die Gründung der Fuggerei zurück. Jakob Fugger stiftete 1521 eine Wohnsiedlung für bedürftige Augsburger Bürger, die zwischen 1516 und 1523 vom Baumeister Thomas Krebs errichtet wurde. Damals entstanden zunächst sechs Gassen mit 52 Wohnungen. Die für die Entstehungszeit großzügigen 45m² großen Wohnungen, die sich in zweigeschossigen Reihenhäusern verteilten, waren nach weitestgehend standardisierten Grundrissen erstellt und durch die Nutzung von normierten Bauteilen wie Türen und Fenstern zudem kostensparend erbaut.
Die Häuser sollten, wie Jakob Fugger im Stiftungsbrief den Zweck der Siedlung formulierte, an fromme, arme aber arbeitswillige Tagelöhner und Handwerker, Bürger der Stadt Augsburg, vermietet werden, die Fürsorge benötigten, aber keine Almosenempfänger waren. Die Jahresmiete betrug einen rheinischen Gulden. Dies entsprach damals dem monatlichen Einkommen eines Tagelöhners. Eine weitere Bedingung beim Einzug war, dass die Bewohner sich verpflichteten, täglich für die Mitglieder der Familie Fugger zu beten.
Im Gegensatz zu früheren Armensiedlungen fehlten der Fuggerei öffentliche Räume und kommunikative Zentren, und die Bewohner der Fuggerei waren auf die individuell abgegrenzten privaten Wohnbereiche ihrer Wohnung verwiesen. Es gab keine geselligen Anlässe, die die Bewohner von einem gottesfürchtigen und arbeitsamen Leben hätten abhalten können. Wer abends zu spät aus der Kneipe nach Hause kam, wurde vom Verwalter, dem die Aufsicht vor Ort oblag und der das Torhaus der Siedlung als Wohnung erhielt, nicht mehr hinein gelassen.
In der Stiftung zeigte sich eine neue Auffassung von Armenfürsorge. Städtische Obrigkeiten im späten Mittelalter hatten angesichts der wachsenden Zahl von Bettlern und Almosenempfängern begonnen, zwischen ehrlichen und betrügerischen Armen zu unterscheiden; nur die „ortsansässigen und ehrbaren“ Armen galten danach als unterstützenswürdig.
So lebten hier zumeist einfache Arbeiter mit ihren Frauen und Kindern, die ganz im Sinne dieser Auffassung innerhalb und außerhalb der Fuggerei ihrem Broterwerb nachgehen konnten, jedoch im Falle der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation in andere Wohnungen umziehen sollten.
Heute ist die Fuggerei eine, wenn nicht die älteste noch bestehende Sozialsiedlung der Welt. Sie besteht gegenwärtig aus 140 Wohnungen, verteilt auf 67 Reihenhäuser als Ensemble mit acht Gassen, eigener Kirche und Stadtmauer. Die Wohnungen, die heute ca. 60 Quadratmeter groß sind, haben jeweils einen eigenen Eingang, wobei die im Erdgeschoss liegenden Wohnungen über einen Garten, jene im Obergeschoss über einen eigenen Dachboden verfügen. In der Siedlung leben heute 150 katholische überwiegend ältere Augsburger Bürger mit geringen Einkommen. Für die Menschen, die hier leben oder einziehen wollen gelten nach wie vor dieselben Regeln und Aufnahmebedingungen wie zur Zeit der Gründung. So beträgt auch die Jahres(kalt)miete für eine Wohnung in der Fuggerei bis heute den nominellen Gegenwert eines Rheinischen Gulden, derzeit 0,88 Euro. Finanziert wird die Sozialsiedlung bis heute aus dem Stiftungsvermögen Jakob Fuggers, bestehend aus Wäldern und Immobilien.