Die Allgemeine Einrichtung
Von Heimen für Alleinstehende
Es scheint auch wichtig nachzufragen, was diese Heime Seemännern, Durchreisenden oder Alleinstehenden geboten haben. Eine gesicherte und billige Übernachtungsmöglichkeit, auch für eine längere Zeit, war immer ausschlaggebend. Viele Heime haben aber darüber hinaus eine Reihe von nützlichen Dienstleistungen bereit gestellt. In vielen Fällen, zum Beispiel in Liverpool, hat man gleichzeitig eine Sparbank gegründet, bei der Seeleute ihre Löhne in aller Sicherheit deponieren konnten und die oft mit einer Überweisungsgelegenheit an die Familie und Freunde verbunden war. Das Seemannsheim hatte auch eine Bibliothek, eine Gaststätte und eine Verkaufsstelle für Berufskleider. Es hat zusätzlich als eine Arbeitsvermittlungsstelle fungiert und ab 1851 hat die Schule für Seefahrtserziehung ihre Tätigkeit dort aufgenommen. Wie die Speisekarte von 1954 verdeutlicht, hat man im Seemannsheim (Mission) in Hong Kong jedes Jahr Weihnachten auf englische Art und Weise gefeiert, mit einem großen Festessen, gefülltem Truthahn und Weihnachtspudding.
Und eine Reihe anerkannter Spielmöglichkeiten wurde auch angeboten. Im katholischen Gesellenheim in Duisburg gab es nicht nur einen Speisesaal, sondern auch einen Billardtisch. Aber eine Kapelle war höchstwahrscheinlich die noch wichtigere Einrichtung in solchen Heimen, wie das Beispiel aus Hannover zeigt. Gesellschaftsräume haben gleichzeitig die Möglichkeit zur Entspannung und für Geselligkeit geboten, wie ein Bild aus einem Seemannsheim in London im späteren neunzehnten Jahrhundert illustriert. Ein
Hinterhof im Rowton-Haus in Hammersmith wurde auch regelmäßig für Gespräche und Lockerungen benutzt und das Heim hatte einen Lesesaal und ein Raucherzimmer für die Gäste. Auch das Ledigenheim in Berlin (Danckelmassstrasse 46-47) konnte den männlichen Bewohnern eine Volksbücherei, eine Volksbadeanstalt und eine Volksspielhalle anbieten. Viel wichtiger für die Klientel war wohl die Größe und Ausstattung der Schlafzimmer und Wohnräume. In kleineren Seemannsheimen, besonders in gemieteten Häusern, war es gelegentlich nötig, ein Schlafzimmer zu teilen. Aber in den größeren Hafenstädten wurde normalerweise versucht, bei der Bauplanung für neue Heime einzelne Schlafzimmer für Seeleute oder Durchreisende zu schaffen. Das Seemannsheim in Liverpool kann in dieser Beziehung als ein gutes Beispiel dienen. Insgesamt gab es sechs Schlafsaal-Etagen, jede mit 44 Kabinen.
Die Kabinen waren nicht allzu groß (ungefähr 2,4 m mal 1,5 m mal 2,2 m) und auf jeder Etage gab es 35 Wasserklosetts und nur drei Waschbecken. Mit steigender Nachfrage war es üblich, Schlafzimmer zu zweit zu teilen, obwohl es normalerweise Platz genug gab, um Freunde ins Zimmer einzuladen wie die spätere Rekonstruktion eines damaligen Schlaf- bzw. Wohnzimmers einigermaßen darstellt. Das Seemannsheim war ohne Zweifel ein Platz der Begegnung, aber auf die Dauer haben manche Seeleute die Einrichtungen als zunehmend überholt und veraltet betrachtet.
Erst kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges hat man eine elektrische Beleuchtung eingeführt und was man ursprünglich als ein palastartiges Heim feierte, wurde schon ab Mitte des 20. Jahrhunderts als eine primitive Kaserne kritisch beurteilt.
In anderen Heimen war das Angebot von Übernachtungsmöglichkeiten jedoch anders geregelt. In den sogenannten Rowton-Häusern gab es zum Beispiel nur Schlafnischen oder einzelne Zellen und wie im Ledigenheim in München, sollte die Schlafstube so schmal sein, dass der Mieter sich gerade neben dem Bett zum Stuhl hin und an den Kleiderhaken begeben konnte.
Der aufgenommene Gast konnte die Schlafstube nur zwischen 7 Uhr abends und 9 Uhr vormittags benutzen, obwohl die Rowton-Häuser (wie in Hammersmith) Umkleidemöglichkeiten während des Tages zusätzlich angeboten haben. Im Vergleich bot das Ledigenheim in Hamburg 112 funktionale Einzelzimmer (8 Quadratmeter) mit großzügigen, ansprechend gestalteten Gemeinschaftsräumen, einem Speisezimmer inbegriffen, die dauerhaft genutzt werden konnten.