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Die alte NeustadtDer Stadtteil vor 1918 Will man verstehen, aus welchen Motiven das Ledigenheim entstanden ist, muss man zurückblicken in das ausgehende 19. Jahrhundert. Die seit 1850 schnell voranschreitende Industrialisierung Deutschlands geht mit der Urbanisierung Hand in Hand. Die Arbeitssuche führt viele Menschen, darunter Alleinstehende, aber auch ganze Familien, vom Land in Städte. So auch in die boomende Hafenstadt und Metropole Hamburg. Diese Dynamik führt dazu, dass aus der Mittelstadt Hamburg innerhalb kürzester Zeit eine Großstadt wird, die zweitgrößte Stadt des Reiches, mit drei weiteren Großstädten in direkter Umgebung, die erst 1938 eingemeindet werden: Wandsbek, Wilhelmsburg/Harburg und Altona - eine dem Ruhrgebiet ähnliche Situation. Täglich drängen in Hamburg über hunderttausend Menschen zum Arbeiten in den am Anfang des 20. Jahrhunderts mit Abstand größten deutschen Hafen. Da es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt und alle Wege zu Fuß zurückgelegt werden müssen sind die Menschen auf eine arbeitsplatznahe Unterbringung angewiesen. In der Hafengegend der südlichen Neustadt ist dies besonders zu spüren. Es herrscht Wohnungsnot. Dichtstehende Häuser, schmale Gassen und Hafengeruch prägen die Gegend. Es herrschen katastrophale hygienische Bedingungen. Die Arbeiterwohnungen sind zumeist feucht, klein und überbelegt und bieten wenig saubere Luft und kaum Tageslicht. Und doch verschlingt die Miete oft einen Großteil des Einkommens. Im großen und Ganzen herrschen armselige Lebensbedingungen, die meisten Häuser haben weder fließend Wasser, noch Toiletten. Oft teilen sich hunderte Menschen eine Latrine. Die Stadt muss reagieren. Sie beruft eine Sanierungskommission ein, die vor diesem Hintergrund 1897/98 drei Sanierungsgebiete festlegt, von denen eines auch die heutige Rehhoffstraße umfasst. Die tief liegende südliche Neustadt gilt wegen möglicher Überschwemmungsgefahr und des dabei drohenden Rückstaus der Sielgewässer in die Erdgeschosse und Keller der Wohngebäude als besonders seuchengefährdet. Die Sanierung dieses Gebiets genießt daher höchste Priorität. Um 1900 werden daher von der Stadtregierung großflächige Abrisse, Aufkäufe und Enteignungen von Grundstücken vorgenommen. Bis 1912 werden etwa 9 ha Privatflächen in der Innenstadt für ca. 28 Mio. Mark angekauft. 300 Gebäude werden abgerissen und völlig neue Straßenverläufe angelegt – eine radikale Veränderung, die das Bild der Neustadt komplett verändert. Auch in anderen Gegenden wird massiv eingegriffen, ganze Siedlungen, Kanäle, neue Straßenverläufe und Bahnhöfe werden in dieser Zeit gebaut. Sehr gut lässt sich die Sanierungsgeschichte am Beispiel des Ensembles Herrengraben – Rehhoffstraße – Pasmannstraße ablesen. Hier legt der Bauverein zu Hamburg, der auch schon andere Grundstücke in der Neustadt bebaut hatte, für ein gut 3.900 m2 großes freigewordenes Grundstück 1911 erste ausgearbeitete Pläne vor und erhält von der Stadt den Zuschlag. Die eingereichten Pläne sehen, in Anlehnung an die Kernforderungen des damaligen Reformwohnungsbaus, einen Bau nach dem Prinzip der »Hamburger Burg« vor. Dieser Bautyp soll bei guter Grundstücksausnutzung durch das Schaffen von Höfen eine bessere Belüftung und Belichtung der Wohneinheiten bieten als die sonst in dieser Zeit übliche Straßenrandbebauung mit ihren tiefen Hinterhäusern. Zusätzlich zu den fünfzehn fünfgeschossigen Etagenhäusern mit 170 Wohnungen sehen die Pläne den Bau eines ebenfalls fünfgeschossigen Wohnheims zur Unterbringung lediger Arbeiter vor. Dieser Bestandteil kommt den Sanierungszielen der Stadt, die Wohnverhältnisse zu verbessern und die Wohnungsnot zu lindern, besonders entgegen. Der Bauverein erwirbt mit diesem Gesamtkonzept sein bisher teuerstes Grundstück für 1.335.000 Mark (100 Mark pro m2) in einem hart umkämpften Wettbewerb, bei dem sich die Interessenten immer wieder gegenseitig überbieten. Angespornt werden sie dadurch, dass hier auf kleinstem Raum unglaubliche Gewinne gemacht werden können, und das, obwohl die Stadt die Grundstücke in der Gegend nur unter extrem hohen Auflagen vergibt, wie etwa jahrzehntelanger Mietpreisbindung und Sanktionen bei Wiederverkäufen. Dennoch lohnt es sich, weil hier im Sanierungsgebiet der südlichen Neustadt und trotz der allgemeinen Wohnungsüberproduktion in Hamburg ein ständiger Mangel an Hafenarbeiterwohnungen herrscht.
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