Das Ledigenheim heute
Einblicke in die aktuelle Situation
Das Ledigenheim Rehhoffstraße ist zentral in der Hamburger Innenstadt gelegen. Es ist eines der letzten Ledigenheime, das noch seinem ursprünglichen Zweck als Wohnheim für ledige Männer dient. In dieser Hinsicht ist es ein Relikt früherer Zeiten und damit nicht nur für Hamburg ein Zeugnis der Sozialgeschichte, das auch heute noch Ideengeber für die Lösung sozialer Fragen sein kann. Das vor 100 Jahren eröffnete Ledigenheim in der Rehhoffstraße hat über Jahrzehnte gut funktioniert. Das Haus wurde in Schuss gehalten, täglich gründlich gesäubert, der Pförtner kümmerte sich um die Verwaltung, neue Bewohner wurden durch Mund-zu-Mund-Propaganda akquiriert. Sein Konzept und seine Organisationsform erwiesen sich als durchaus stabil. So hat das weitgehend selbst verwaltete Haus die Entwicklungen in Stadtteil und Hafen gut überstanden, sogar dann noch, als ihm die angestammte Zielgruppe, Seemänner und Hafenarbeiter, verloren ging und die Wohnanlage Gegenstand von Finanzspekulationen wurde.
In diesem langen Prozess der gewinnorientierten Umstrukturierung wurden zunächst die Gemeinschaftsräume vom Wohnbereich abgetrennt und extern vermietet. Im Laufe der Zeit wurden zudem die Dienstleistungen fast gänzlich abgeschafft und notwendige Reparaturen und Instandsetzungen über Jahrzehnte nicht mehr erledigt. Auch wurden die vier fest angestellten Vollzeit-Reinigungskräfte entlassen und die volle Stelle des im Haus ansässigen Verwalters und Pförtners auf einen Minijob reduziert. Die Vermietung wurde daraufhin von einem Verwaltungsunternehmen erledigt. Diese Externalisierung der Organisations- und Verwaltungsstruktur stellt den gröbsten Eingriff in das Konzept des Ledigenheims dar und führte zu erheblichen sozialen Problemen im Haus. Dies alles hat die über Jahrzehnte gewachsene Hausgemeinschaft empfindlich getroffen und den Zustand des Hauses erheblich verschlechtert.
In dieser Situation wurde die Anlage vom Bauverein zu Hamburg weiterverkauft und ist seitdem Teil eines dänischen Immobilienfonds mit dem Namen Core German Residential II, dessen zwei Hauptanteilseigner dänische Rentenkassen sind. Die anfängliche Hoffnung auf eine Besserung der Situation schien begründet, als der Investor 2009 beim zuständigen Bezirksamt einen Umbauantrag einreichte. Dieser sah dann jedoch die Auflösung der Gebäudestruktur und den Umbau der bisherigen Struktur in größere Appartements vor. Aufgrund der in der südlichen Neustadt geltenden sozialen Erhaltungsverordnung wurde das Umbauvorhaben nach einer Mieteranhörung und einem mehrjährigen Widerspruchsverfahren abgelehnt.
In dieser Phase formierte sich die Arbeitsgemeinschaft Rehhoffstraße aus Bewohnern, Nachbarn und Mitgliedern des in der Neustadt ansässigen Vereins Ros e.V., die sich gemeinsam für den Erhalt des Hauses und der Wohnform Ledigenheim einsetzen. Sie wird dabei von engagierten Fachleuten aus verschiedenen Bereichen und Einrichtungen tatkräftig unterstützt. Gemeinsam hat man so beispielsweise erreicht, dass die Bezirksversammlung sich im Oktober 2011 einstimmig für den Erhalt des Hauses in seiner Struktur und Funktion ausgesprochen und das Bezirksamt mit der Umsetzung beauftragt hat. Auch der Denkmalschutz für das Objekt wurde in die Wege geleitet werden. Ein wichtiger Schritt war außerdem der einstimmige Beschluss der Bezirksversammlung zur Anerkennung der Initiative als offiziellen Ansprechpartner der Stadt im Juni 2012. Die Möglichkeiten des Investors waren durch diese Entwicklungen stark eingeschränkt. Selbstverständlich hätte er nach wie vor die Möglichkeit, das Haus seinerseits entweder zu verkaufen oder in Zukunft verantwortungsvoll zu führen. Um jedoch den beabsichtigten Umbau doch noch umsetzen zu können, hätte er nun entweder gegen den Beschluss klagen, oder sich der Beschlussgrundlage, der schützenswerten Wohnbevölkerung, entledigen müssen.
Der dänische Investor reagierte Anfang 2012, indem er die unvermieteten Zimmer erst entmöblieren und dann renovieren ließ. Anschließend wurde die Hausverwaltungsgesellschaft Theodor Schöne GmbH mit der Vermietung der Zimmer beauftragt, wobei sie erstmals in der Geschichte des Hauses und entgegen dem Ledigenheim-Prinzip unmöbliert und jeweils mit einem befristeten »Hamburger Mietvertrag« vergeben wurden. Vermietet wird fast ausschließlich an »dringlich« Wohnungssuchende, die in den leeren Zimmern zum Teil zu mehreren auf dem Fußboden schlafen. Für diese Menschen ist das Haus trotz seines schlechten Zustands eine echte Alternative zu anderen Unterkünften oder der Obdachlosigkeit.
Im Ledigenheim leben zur Zeit ca. 75 Männer, davon 30 schon seit 20 bis 40 Jahren, 20 seit über sieben Jahren und 25 seit März 2012. Diese Bewohner leben im Ledigenheim zu unterschiedlichen Konditionen. Die Gruppe der so genannten »Altbewohner« lebt seit vielen Jahrzehnten im Ledigenheim und setzt sich zum größten Teil aus Hafenarbeitern, Seeleuten und Monteuren zusammen, die heute überwiegend in Rente sind. Sie bezahlen für ein möbliertes Zimmer, inklusive aller Nebenkosten und Serviceleistungen wie Fenster- und Zimmerreinigung sowie Wäschedienst 153 Euro im Monat. Allerdings werden die vertraglich zugesicherten Serviceleistungen seit einigen Jahren nicht mehr erbracht. Die Wohnheimverträge der Altbewohner sind in der Regel ein bis drei Seiten lang. Einige der alten Verträge wurden sogar nur mündlich abgeschlossen und per Handschlag besiegelt, ein Zeichen für die vertrauensvollen Beziehungen, die damals untereinander herrschten.
Die zweite Bewohnergruppe, zumeist Arbeiter und Monteure, zog zwischen 2000 und 2005 in das Ledigenheim ein. Sie bezahlen bereits 179 Euro für ein Zimmer zu den ansonsten gleichen Konditionen.
Nach einem vorübergehenden Vermietungsstopp wurde von 2008 bis 2009 erneut vermietet. Die Miete für diese Zimmer wurde nun auf 250 Euro angehoben. Dazu waren diese Mietverträge bis zum 31.12.2009 befristet. Diese Verträge wurden anschließend mehrfach um jeweils ein Jahr verlängert. Das Objekt gehörte zu dieser Zeit noch dem Bauverein zu Hamburg, der fast ausschließlich an Klienten der »ARGE« (Arbeitsgemeinschaft SGB II) vermietete.
Aktuell werden die Zimmer von der Hausverwaltung Theodor Schöne GmbH wie zuletzt auch beim Bauverein zu Hamburg befristet vermietet. Ein Zimmer kostet zur Zeit 250 Euro, wobei die Serviceleistungen im aktuellen Vertrag nicht mehr in gleicher Art und im gleichen Umfang enthalten sind. Auf diese Weise wird die Vermietung ohne den früheren Service etabliert.
Darüber hinaus sind in dem dreizehn Seiten langen Vertrag eine Neukalkulation der Miete und der Nebenkosten angekündigt. Bei den neu eingezogenen Bewohnern, die fast alle innerhalb weniger Wochen, im März 2012, eingezogen sind, handelt es sich zum großen Teil um Menschen in schwierigen Lebenslagen, von denen eine Vielzahl hilfsbedürftig ist.
Jedem Bewohner steht ein 8 m2 - Zimmer zur Verfügung, das als Wohn- und Schlafraum gedacht ist. Pro Etage, also für je 30 Zimmer gibt es eine Dusche und vier Toiletten. Dazu findet sich auf jeder Etage eine kleine Kammer zum Wäschetrocknen und eine 7 m2 - Küche mit drei Doppelherdplatten, die täglich bis ca. 22 Uhr genutzt werden können. Darüber hinaus sind keine weiteren Gemeinschaftsräume mehr vorhanden.
Der ehemalige Lese- und Speisesaal, der Einkaufsladen und die ursprünglichen Pächter- und Verwalterwohnungen stehen dem Ledigenheim aktuell nicht oder nur bedingt zur Verfügung. Die ehemalige Gaststätte wird heute vom Verein Ros e.V. genutzt, der versucht, die Räume als Kulturraum wieder für die Nachbarschaft und die Hausbewohner zu öffnen. Der kleine Kiosk an der Ecke dient der jahrzehntelangen Betreiberin im Ruhestand als Wohnung.
Die größte Veränderung für das Ledigenheim und seine Bewohner hat sich neben der Abkopplung der Gemeinschaftsräume durch die Umstrukturierung der Verwaltung des Hauses ergeben. Die Vermietung wird zur Zeit von einer externen Firma und nicht mehr wie früher von einem hausinternen Verwalter geregelt. Die Verwalterstelle ist heute zum Pförtner umfunktioniert. Dieser ist insgesamt vier Stunden in der Woche vor Ort und dient der Hausverwaltung als Ansprechpartner für Mietinteressenten und Handwerker. Gereinigt wird das Haus ebenfalls vier Stunden pro Woche von einer einzigen überforderten Reinigungskraft. Das Haus befindet sich in einem schlechten Zustand. Akzeptable hygienische und wohnliche Zustände im Haus werden nur durch den großen Einsatz einzelner Bewohner gewährleistet. Diese übernehmen kleinere und größere Aufgaben im Haus und um das Haus herum, wie das tägliche Reinigen der Toiletten auf ihren Etagen, das Wischen der Flure, kleinere Instandsetzungsarbeiten sowie die Pflege der Gärten vor dem Haus. Dies geschieht aus eigener Initiative und auf eigene Kosten. Es bleibt fraglich, wie lange die alternden Bewohner dies noch werden leisten können.