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Die historische Bedeutung

von Ledigenheimen

Einerseits ist es relativ einfach die allgemeine Entwicklung und Ausdehnung von Ledigen-, Gesellen-, Seemanns- und anderen Heimen sowie deren Ausstattungen und Einrichtungen zu beschreiben. Andererseits bleibt es weiterhin problematisch sich das tägliche Leben in solchen Heimen vorzustellen. Ich möchte zum Schluss einige Punkte in diesem Zusammenhang betonen:
Erstens kann man wohl annehmen, dass die Lebensqualität in vielen Heimen im Vergleich mit dem privaten Wohnungsmarkt etwas, vielleicht erheblich, besser gewesen war - besonders in der Nähe des Hafens. Die zugrunde liegende Gefährlichkeit und die damit verbundene Attraktivität von ›Sailor- Towns' war weit bekannt, genauso wie die Wohnungsprobleme der Arbeiterklasse und die zunehmende Baufälligkeit von vielen Häusern in Großstädten wie Hamburg, wie die Bilder aus dem Hof Springeltwiete 20 und der Steinstraße nachweisen.
Zweitens ist es weiterhin problematisch den genauen Umfang und die Effektivität der Heime, besonders in Bezug auf die wechselnde Nachfrage, festzulegen. Die absolute Zahl der Betten können wir in vielen Fällen festlegen, aber Daten über das Gesamtangebot fehlen noch. Ursprünglich hatte das erste Seemannsheim in London, das im Jahre 1835 gegründet wurde, Platz für 250 Betten, die Kapazität wurde im Jahre 1865 auf 502 Betten verdoppelt. Das Seemannsheim in Liverpool konnte am Anfang Unterkunft für etwas mehr als 200 Seefahrer anbieten, aber die spätere Eröffnung einer Zweigstelle im nördlichen Hafengebiet hat die Zahl der Betten erheblich erhöht. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts haben ungefähr 5.000 Seeleute eine Unterkunft im Londoner Seemannsheim gefunden, während die Heime in Liverpool im Jahre 1883 eine Herberge für fast 10.000 alleinstehende Seemänner angeboten haben. Besonders in Kriegszeiten haben Seemannsheime eine wichtige Rolle gespielt: im Ersten Weltkrieg wurden 34.533 Seeleute in den Heimen in Liverpool untergebracht, zwischen 1939 und 1943 fast 60.000. Aber auch im Falle Londons, wo eine Vielzahl von größeren und kleineren Seemansheimen etabliert wurden, war das Angebot von Übernachtungsmöglichkeit durch solche Institutionen weiterhin begrenzt, besonders wenn man die Gesamtzahl der Seeleute betrachtet, deren Schiffe den Hafen anliefen.
Drittens scheint es plausibel zu behaupten, dass Seemänner die spezifischen Einrichtungen der Seemannsheime wahrgenommen haben. In den ersten 40 Jahren ihrer Tätigkeit hat das Seemannsheim in London über zwei Millionen Pfund als Guthaben angenommen und über 700.000 Pfund wurde an die Familien und Freunde einzelner Seemänner weitergeleitet. Schon im Jahre 1853 hat die Seemannsheim-Sparkasse in Liverpool 10.364 Pfund von Seeleuten erhalten, eine Summe, die am Anfang des 20. Jahrhunderts auf über 31.000 Pfund angestiegen ist. In diesem Sinne haben die Seemannsheime eine nützliche Einrichtung für Seeleute angeboten, die sehr stark in
Anspruch genommen worden war. Viertens muss man erkennen, dass die Verbreitung von Heimen und die
Möglichkeit, dort eine gesicherte und billige Unterkunft zu finden, weiterhin sehr differenziert und unterschiedlich geblieben ist. Die kirchlichen Missionen, oft mit der Leitung eines Heimes verbunden, bevorzugten natürlich ihre eigenen Glaubensgenossen wie im Falle der »Apostleship of the Sea«, die eine Reihe von Seemannsinstitute in Hafenstädten wie Liverpool, New Orleans, New York und Philadelphia gründete. Heime, die von der Heilsarmee geführt wurden, haben auch die Wichtigkeit der Alkoholabstinenz sehr stark betont und fast alle Institutionen haben eine Reihe von Regeln und Hausordnungen vereinbart. Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben einige Reedereien ausländische Seemänner (besonders aus China, Indien, und West- Afrika) angeheuert, hauptsächlich als eine Kostenreduzierungsmaßnahme, und haben dementsprechend neue Heime gegründet. Zum Beispiel hat der »Blue Funnel Line« in Liverpool eine Pension für asiatische Seeleute etabliert und eine kleine Zahl von asiatischen Vorstehern angestellt, um Orientierungsschwierigkeiten und andere persönliche Probleme zu lösen. Auch in der Zwischenkriegszeit hat die »Elder Dempster Line« ein sogenanntes »African Hostel« in der Upper Stanhope Street geöffnet, um eine Unterkunft für ihre eigenen Seeleute aus West-Afrika anzubieten. Man kann diese Entwicklungen natürlich begrüßen, besonders zu einer Zeit, die von rassenpolitischen Unruhen geprägt war. Die Ausstattungen in diesen segregierten Heimen war jedoch selten zufriedenstellend und die Einrichtungen waren ziemlich oft nicht ausreichend. Die Rassenfrage war jedoch viel ausschlaggebender in den USA. Auch mitten im Zweiten Weltkrieg war die Rassentrennung in den Herbergen für Seefahrer, die vom United Seamen's Service geführt wurden, sehr stark ausgeprägt. Während Matrosen aus den Philippinen einigermaßen toleriert wurden, mussten »Neger« einen getrennten Eingang benutzen, um die Einrichtungen des Heims in New Orleans und in anderen Häfen in den Südstaaten zu genießen.
Fünftens muss man zugeben, dass Klassenunterschiede auch eine Rolle bei der Gestaltung und Einrichtung von Heimen gespielt haben. In einzelnen Fällen haben die Seeoffiziere ihre eigenen, selbständigen Heime im Ausland gegründet, wie die Seeoffizier-Gesellschaft in Stockholm. In dem »Royal Alfred Sailors' Home« in Bombay (Mumbai) war die Ausschmückung und die
allgemeine Qualität der Schlafzimmer hierarchisch unterschiedlich. In dem sogenannten »Scandinavian Sailors' Temperance Home« in Poplar in London gab es einen getrennten Speisesaal für Offiziere und auch im Seemannsheim in Liverpool gab es nominelle Preisunterschiede bei der Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten, die die Berufsstruktur der Seeschifffahrt ziemlich präzise widerspiegelte.
Das Skandinavische Seemanssheim in London, 1880 von Agnes Hedenstöm eröffnet und im Jahre 1889 in die Garford Street verlagert, hat zwar gleich am Anfang Einzelbetten für alle Bewohner bereitgestellt, aber 1902-1903 wurde ein Nebenbau im Barockstil, von den Architekten Niven und Wigglesworth
konzipiert, hergestellt, der nur für Offiziere gedacht war. Klasse und Hierarchie haben in diesem Zusammenhang weiterhin die allgemeine Qualität der Heime beeinflusst.

Speisesaal für Offiziere Skandinavisches Seemannsheim Poplar, London